Schritt für Schritt zur digitalen Arztpraxis
Teil 1
Von: Anja Schneckener - 31.03.21
Haben Sie Kinder? Ich habe zwei, beide im schulpflichtigen Alter. Homeschooling und Homeoffice haben uns in den letzten Monaten vor große Herausforderungen gestellt. Da tauchten Fragen auf wie:
- Wie geht das mit dem Zoom-Meeting?
- Wo finde ich die Aufgaben in der Schul-Cloud?
- Ich krieg meine Hausaufgaben nicht hochgeladen
- Ich brauche eine Kamera am PC!
- Ich habe keinen Empfang, wenn alle gleichzeitig im Netz sind!
- Wo soll ich sitzen, in meinem Zimmer kommt kein W-LAN an?
- und, und, und…
Es war eine Herausforderung, das stimmt, aber wir haben es geschafft:
Meine Tochter hat einen vernünftigen Laptop bekommen und sitzt jetzt zu Ihren Zoom-Konferenzen in der Küche. Mein Sohn ist mit seinem Gamer-PC noch am besten von uns allen ausgestattet und sitzt mit High-End-Headset, neuester Kamera-Ausstattung auf seinem Gamer-Stuhl in seinem Zimmer. Mein Mann teilt sich unser „Büro“, was eigentlich eine Abstellkammer ist, mit der Bügelwäsche und den Kisten mit der Weihnachtsdekoration. Ich hatte Glück und konnte mit meiner Arbeit vom Homeoffice wieder in ein extra geschaffenes Einzelbüro ziehen, aber auch hier im Büro haben wir alle Abläufe weitestgehend digitalisiert, so dass der Großteil meiner Kolleginnen vom Homeoffice arbeiten kann.
Digitalisierung in den Arztpraxen – eine große Aufgabe
Jetzt kommt diese Aufgabe auch auf die Arztpraxen zu. Ich möchte Ihnen die Angst vor dieser vermeintlichen Mammut-Aufgabe nehmen, denn vieles ist machbar, wenn man es Schritt für Schritt angeht. Damit Sie für Ihren Einstieg in die digitale Arztpraxis gut gerüstet sind, werden wir das Thema in den nächsten Wochen Stück für Stück beleuchten.
Sie erfahren:
Welche technischen Möglichkeiten es gibt
Was der Gesetzgeber vorschreibt
Welche Fristen eingehalten werden müssen
Welche technischen Neuerungen sich ohne großen Aufwand schon jetzt umsetzen lassen
Was es bzgl. Datenschutz zu berücksichtigen gilt
Welche Maßnahmen Ihrer Praxis einen echten Mehrwert bringen
Das Wichtigste zuerst: Gesetzesvorgaben und Fristen
Diese technische Grundausstattung benötigen Sie
Damit Ihre Praxis die Vorgaben des Bundesministeriums für Gesundheit überhaupt erfüllen kann, benötigen Sie eine technische, gematik-zugelassene Grundausstattung. Diese verbindet Ihre Praxis mit der zentralen Telematikinfrastruktur (TI) des Gesundheitswesens. Nur so wird das Arbeiten mit den vorgeschriebenen elektronischen Medien, wie z. B. der elektronischen Patientenakte (ePA), der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) oder der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) erst möglich.
Zur technischen Grundausstattung gehören:
- Konnektor, dieser stellt die Verbindung mit der zentralen Telematikinfrastruktur (TI) her
- Anpassung Ihres Praxisverwaltungssystems (PVS) durch ein technisches Update
- Anbindung an den Kommunikationsdienst KIM, für eine sichere Übermittlung Ihrer Daten
- Internetanschluss und VPN-Zugangsdienst, also einen Provider, der beides für Sie einrichtet
- E-Health-Kartenterminals oder ggfs. ein mobiles Kartenterminal
- Praxisausweis (SMC-B), mit dem Sie sich am Terminal anmelden können
Wichtig: Alle Komponenten müssen gematik-zertifiziert sein, so dass eine maximale Sicherheit bei der Datenübermittlung gewährleistet ist.
Diese Fristen sollten Sie kennen
1. April 2021
Erstellung eines Netzplans
Zum 1. April 2021 müssen alle Praxen, die mit einem internen Netzwerk arbeiten, einen sogenannten Netzplan erstellen. Was dieser genau enthalten muss und welche Maßnahmen in welchem Umfang durchgeführt werden müssen, regelt die IT-Sicherheitsrichtlinie.
Auf der eigens dafür eingerichteten Online-Plattform können Sie alle erforderlichen Maßnahmen einsehen. Wenn Sie mit Ihrem täglichen Praxisablauf schon ausreichend ausgelastet sind und Ihnen die Einhaltung der Richtlinie über den Kopf wächst (insbesondere bei mittleren oder Großpraxen könnte dies leicht der Fall sein), scheuen Sie sich nicht, die Hilfe Ihres IT-Experten in Anspruch zu nehmen.
Anbindung an KIM (Kommunikation im Medizinwesen)
Schon seit längerem verschicken Praxen ihre e-Arztbriefe über das normale Praxisverwaltungssystem. Ab dem 1.4.21 darf dieser Versand jedoch nur noch über den Kommunikationsdienst KIM stattfinden.
Wie kann ich meine Praxis an KIM anbinden?
Unter dem Suchbegriff „zugelassene kim anbieter“ findet sich im Netz einiges. Auf der Homepage der gematik.de gibt es eine Zulassungsübersicht der Produkte, und Anbieter.
1. Juli 2021
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)
Zum 1. Juli 2021 wird das Ausstellen der elektronischen AU Pflicht. Diese wird dann über die PVS automatisch an die Krankenkasse übermittelt. An dem Ausdruck für den Arbeitgeber und den Versicherten wird sich zunächst nichts ändern.
Damit die Übermittlung der sensiblen Daten sicher vonstatten geht, sind Ärzte und Therapeuten gesetzlich dazu verpflichtet, Ihre Praxis mit einem sogenannten Konnektor auszustatten, bzw. bestehende Konnektoren aktualisierten (updaten) zu lassen.
Da es in vielen Praxen schlicht unmöglich war, einen Softwarehersteller zu finden, der das Update fristgerecht durchführen konnte, wurde durch die KBV beim BMG ein Antrag für eine Übergangsregelung gestellt. Diese würde die Frist für das Versenden der eAU auf das Ende des 3. Quartals verschieben. Leider fehlt bislang die Zustimmung der Krankenkassen.
Die elektronische Patientenakte (ePA)
Bereits seit Januar dieses Jahres müssen die Praxen ihren Patienten auf Wunsch eine elektronische Patientenakte (ePA) anbieten und mit seinen Daten befüllen. Allerdings war dieser Dienst bislang freiwillig. Ab dem 1.7.21 wird er zur Pflicht. Bei Nichtbeachtung drohen den Praxen Honorarabzüge in Höhe von einem Prozent.
TIPP:
Für das erstmalige Befüllen der ePA können pro Patient 10 Euro abgerechnet werden. Wenn der Patient Unterstützung bei der Handhabung der ePA benötigt, kann der Beratungsaufwand ebenfalls abgerechnet werden.
Gut zu wissen:
Die Nutzung der ePA ist für den Versicherten freiwillig. Der Patient darf festlegen, auf welche Dokumente der jeweilige Arzt zugreifen darf. Ab dem 1. Januar 2022 soll das geordnete Speichern der folgenden Daten in der ePA möglich sein:
- Befunde
- Arztberichte
- Röntgenbilder
- Mutterpass
- Gelbes U-Heft für Kinder
- Bonusheft (Zahnarzt)
Elektronische Überweisungen
Überweisungen zu Fachärzten sollen ab dem Sommer 2021 ebenfalls elektronisch übermittelt werden können.
Januar 2022
Das elektronische Rezept
Eine verpflichtende Nutzung des e-Rezeptes tritt laut dem Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur ab Januar 2022 in Kraft.
Eine App, mit der das Rezept direkt auf dem Smartphone angezeigt wird, soll es ab Mitte dieses Jahres geben.
Anbieter für die Telematikinfrastruktur
Der Zeitplan ist eng. Da hilft nur: Ärmel aufkrempeln und loslegen. Egal ob Konnektor, Praxisausweis (SMC-B), E-Health-Kartenterminals oder PVS, die Auswahl an Anbietern im Netz ist riesig. Wichtig ist, dass die von Ihnen gewählte Komponente für den bundesweiten Einsatz in der Telematikinfrastruktur von der gematik zugelassen ist.
Ein letzter Check
Wenn Sie sich für eine Ausstattung entschieden haben, sollten Sie sicherheitshalber einen letzten Check durchführen.
Eine Übersicht über die gematik-Zulassungen finden Sie hier!
Helfen Sie mit!
Ich muss zugeben, die Datenflut zu dem Thema Digitalisierung ist überwältigend. Ich habe mein Bestes gegeben, alle Berichte, Nachrichten, Newsletter etc. zu durchforsten und vollständig, übersichtlich und sachlich richtig zusammen zu stellen. Sollten Ihnen in meinem Text Fehler aufgefallen sein oder etwas fehlen, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Mit Ihrem Beitrag helfen Sie, das Thema Digitalisierung in den Arztpraxen für alle Kollegen etwas zugänglicher zu machen.
Ihre Anregungen nehme ich dann sehr gerne in meine Checkliste auf, die im Anschluss an Teil 3 eine gute Zusammenfassung des großen Themas Digitalisierung ergeben soll.
Demnächst folgt Teil 2: Digitale Helfer, die Ihre Praxis direkt entlasten.